
Chatbots sind nicht ideal für E-Commerce-Aktivitäten – das liest und hört man überall. Wir sind allerdings überzeugt, dass es Einsatzmöglichkeiten von Chatbots im E-Commerce gibt, die Ihren Webshop sinnvoll unterstützen können. Sie finden auf unseren Seiten immer wieder den Hinweis auf den klar benennbaren Nutzen und die klaren Ziele eines Chatbots, die für den Erfolg wichtig sind. Beim E-Commerce kann ein Chatbot an verschiedenen Stellen nützlich sein.
Wir haben in diesen Beitrag die interessanten Ergebnisse einer recht breit angelegten Studie zu Chatbots im E-Commerce von DieProduktMacher und elaboratum integriert, weil diese auf gut 2.100 Teilnehmern basierende Studie aus dem deutschsprachigen Raum einige interessante Erkenntnisse liefert. Wir lassen die aus unserer Sicht wichtigsten Aspekte hier einfließen und erweitern daher den Text. Die Studie finden Sie auf der Website von elaboratum.de – in neuen Tab öffnen.
Produktsuche und -auswahl per Chatbot sind vielleicht das erste, was in den Sinn kommt. Man sollte aber die Beschränkungen der Chatbots im Blick behalten: Das horizontale Scrolling macht bei 40 Treffern keinen wirklichen Spaß mehr. Der Überblick geht schnell verloren, Navigation ist schwierig. Damit eignen sich Chatbots bei der Suche eher für Webshops, die typischerweise nur wenige Artikel für einen Suchbegriff anbieten. Gibt es zwar wenig Produkte, aber viele Varianten, kann man über eine Vorabfrage und daraus resultierender Filterung nachdenken. Der Chatbot kann das ganz charmant machen. Auch ein beratungsähnlicher Prozess ist mit einem Chatbot gut darstellbar.
Eine Einsatzmöglichkeit im E-Commerce kann auch der Chatbot als Berater bei größeren Ergebnismengen sein. Er erledigt per Frage das, was sonst die Filter übernehmen müssten. Nützliche Tipps können in die Antworten/Reaktionen des Chatbots einfließen. Wichtige Informationen könne auf diese Weise prägnant präsentiert werden.
Produkte im Internet bestellen, das kann doch jeder, oder? Und dennoch, wer verschiedene Shops besucht, weiß auch, dass jeder Shop – genauer: jeder Shop-Betreiber – seine eigene Logik beim Checkout entwickelt. Auch gefühlt Jahrzehnte, nachdem Amazon die Ein-Klick-Bestellung eingeführt hat, bedeutet ein Checkout-Prozess nicht zwingend Routine. Genau da setzt eine der Kernerkenntnisse der oben genannten Studie von DieProduktMacher und elaboratum an: Sie kommen zu dem Ergebnis, dass ein Chatbot zumindest beim komplexen Testobjekt Skipassbestellung die Usability und damit die Conversion signifikant erhöht.
Wir kennen eine stattliche Anzahl Checkout-Prozesse und können uns das gut vorstellen. Aber was soll der Chatbot genau machen? Er vereinfacht den Checkout-Prozess so deutlich, dass beim Test rund 50 % mehr Probanden den Prozess abschließen konnten. Wenn man sich daraufhin mal die Anzahl der abgebrochenen Kaufprozesse ansieht, könnte man vielleicht ins Grübeln kommen.
Seinen größten Vorzug spielt der Chatbot durch die Fokussierung aus: Er stellt eine Frage und nimmt die Antwort auf. Das ist etwas, was bereits etlichen Checkout-Formularen helfen könnte. Das hat jeder schon einmal erlebt: Bezeichnung, Reihenfolge, Pflichtfelder oder sonstige Auswahlmöglichkeiten auf einen Schlag präsentiert, das kann verwirren. Besonders kritisch ist das auf einem Smartphone, auf dem sich bei einer entsprechend gemachten Seite alles untereinander abspielt – oder aber das Webformular in Kleinstauflösung präsentiert wird.
Neben der Fokussierung ermöglicht auch die klare Abfolge sicherlich einen geordneten Ablauf, bei dem weniger Fragen auftreten dürften als im Formular. Hinzukommt, dass ein Chatbot eine Frage auch gleich kurz kommentieren kann. Dann besteht der Kontext sofort, die Verständlichkeit steigt. Interessant ist, dass der Prototyp der Studie seinen größten Vorteil in Sachen Klarheit ausspielt. Bei der Anzahl der Angaben oder deren Notwendigkeit schneidet der Chatbot kaum besser ab.
Für den E-Commerce dürfte der Ansatz insofern interessant sein, als eine Verbesserung im Checkout wirklich spürbar ist, weil sich dort alles entscheidet. Wer dort aussteigt, wird über (bezahltes) Retargeting noch einmal zu motivieren versucht. Und unten finden Sie auch einen Abschnitt zu abgebrochenen Warenkörben, die mittels Chatbot wieder aufgegriffen werden können. Tatsächlich aber ist der Checkout wirklich der Moment der Entscheidung. Und wer sich dabei gut aufgehoben fühlt, kauft – und kommt vermutlich gerne wieder. Sind zufriedene Wiederkäufer nicht das große Ziel aller Aktivitäten?
Bitte bedenken Sie, dass Chatbots im E-Commerce denselben rechtlichen Vorgaben für den Bestellprozess unterliegen wie Webshops. Zusammenfassende Anzeige der Daten, Ausweis von Steuern usw. gehören dort auch dazu. Und sind optisch nicht ganz einfach unterzubringen. Inzwischen haben einige große Anbieter Käufe über Chatbots möglich gemacht, es ist also umsetzbar.
Auffällig ist – und das betrifft auch das Beispiel der genannten Studie –, dass es sich oft um kleine Warenkörbe mit ein oder zwei Produkten in überschaubarer Anzahl handelt. Das kann man noch angemessen darstellen. Wenn Sie dagegen oft vier oder sechs Produkte im Warenkorb haben, kann das auf einem Smartphone-Bildschirm schwierig werden. Anders gesagt: Der Chatbot ist ideal für erklärungsbedürftige Bestellprozesse einzelner Produkte. Spontan könnte einem ein Smartphone einfallen, wenn man nicht Ski läuft.
Das kennt jeder Händler: Eine stattliche Anzahl von Produkten bleibt im Warenkorb liegen. Natürlich weiß man nicht, ob sie nur mal so in den Warenkorb gelegt wurden, weil keine Merkmöglichkeit bestand, oder der Zweifel am Kauf überwog. Letztlich tun solche Abbrüche aber weh, denn scheinbar haben Sie bis zu einem bestimmten Punkt vieles richtig gemacht, nur der überzeugte letzte Klick hat gefehlt.
Genau da kann etwa ein Facebook Messenger Chatbot ansetzen (natürlich brauchen Sie die Erlaubnis zur Adressierung Ihrer Kunden mit dem Messenger). Kunden, in deren Warenkorb noch Produkte übrig geblieben sind, können Sie nach einem Tag freundlich erinnern. Das geht per Chatbot schnell, aufwandslos und vor allem mit weitaus besseren Öffnungsraten als bei Mails.
Sind es mehrere Produkte, wäre eine Gewichtung nach Verkaufshäufigkeit denkbar. Wenn für sechs offene Produkte im Warenkorb sechs Nachrichten kommen, ist das genauso ungünstig wie eine Nachricht, die dann sechs Produktbilder zeigt. Zumindest das erste, das sofort sichtbare, sollte nach der Verkaufswahrscheinlichkeit ausgewählt sein.
Natürlich darf so eine Nachricht nicht plump sein, sondern sollte freundlich, positiv und ergebnisoffen formuliert werden. Auf dem richtigen Weg sind Sie, wenn Sie auch gleich eine Fragemöglichkeit einräumen, falls der Kauf nur an einer Unsicherheit gescheitert ist. Auch das Angebot, deswegen nicht mehr angechattet zu werden, sollten Sie überlegen. Das ist einfach eine Frage des Umgangs, denn dem Chatbot macht es nichts aus, so eine Nachricht täglich zu verschicken.
Wenn Sie in so eine Nachricht auch die Antwortmöglichkeit, „Ich habe das Produkt woanders gekauft“, integrieren, können Sie im Anschluss an diese Antwort gezielt nach Gründen fragen. Auf diese Weise erhalten Sie zumindest für den Teil Ihrer Besucher, der darauf ehrlich antwortet, eine Rückmeldung, woran es lag. Das kann Ihnen helfen, Schwächen in der Produktbeschreibung, nicht erfüllte Kundenwünsche oder etwaige Schwächen im Wettbewerb zu erkennen.
Der Facebook Messenger bietet mit sogenannten QuickReplies vorgefertigte Antwortbausteine, die Ihre Kunden nur auswählen müssen. Das schränkt ein, verhindert aber auch lange Texte. Auf diese Weise können Chatbots im E-Commerce einen nützlichen Kanal von Ihren Kunden zu Ihnen darstellen.
Nach dem Kauf ist vor dem Kauf – das klappt beim E-Commerce ganz hervorragend. Natürlich können Sie sich darauf verlassen, dass sich der Paketdienst gewissenhaft um die Zustellung kümmert, sie ankündigt, eine Sendungsverfolgung anbietet usw. Das machen ja alle anderen auch. Ein Messenger-Chatbot muss das auch nicht alles nochmal mitteilen, das nervt. Wenn er aber 24 Stunden nach Erhalt fragt, ob alles geklappt hat, machen Sie einen guten Händlerjob.
Da Sie die Nachricht nur absenden, wenn die Zustellungsinformation vorliegt, brauchen Sie eigentlich keine negative Antwort anzubieten. Nutzen Sie den gewonnenen Platz lieber, um dem Kunden ein Fragemöglichkeit einzuräumen. Diese Frage muss der Chatbot (noch) nicht beantworten können, er kann ruhig sagen, dass das Produkt-Team diese Frage beantwortet. Wenn von dem dann zeitnah eine Antwort per Messenger kommt – prima.
Je nach Shop kommt die Bewertungsanfrage so sicher wie das berühmte Amen. Und wenn man sich darauf einlässt, erlebt man eine ähnliche Vielfalt wie beim Checkout: Mal mehr, mal weniger Felder, unterschiedliche Pflichtfelder, eine Überschrift, eine Mindestzeichenanzahl. Da kann einem schnell der Spaß vergehen. Und damit das alles halbwegs nutz- und wartbar bleibt, verwendet man als Händler nur die wichtigsten Felder. Der Chatbot könnte hier genauso helfen wie beim Checkout: Klarer Fokus auf eine Fragestellung, eine logische Reihenfolge, nichts lenkt ab. Und: All die Dinge, die man mit pfiffiger Formularprogrammierung lösen kann (Freitexteingabe nur bei einem bestimmten Wert o. ä.) kann man mit dem Chatbot ebenfalls perfekt realisieren.
Besonders nutzerfreundlich kann man die Bewertung angehen, indem nach jeder Sternebewertung für eine Eigenschaft dem Nutzer die Entscheidung für Freitexteingabe überlassen wird. Allerdings wird man dabei aufgrund der häufigen Nutzung mit dem Smartphone keine langen Texte erwarten dürfen. Was den Chatbot aber auszeichnen würde: Sie können auf bestimmte Bewertungen sehr flexibel reagieren. Ein Kunde bemängelt die Lieferung, vergibt nur einen Stern und schreibt, es habe lange gedauert? Das kann ein Chatbot problemlos verstehen und für die nächste Bestellung den Code für Versandkostenfreiheit anbieten. Klar, das geht auch mit dem Formular, aber beim Chatbot steckt ein Natural Language Processing dahinter, das auf Stichwörter reagieren kann.
Die wichtigste Einschränkung sollte aber auch genannt werden: Wenn Sie über den Chatbot das Formular ersetzen, muss alles schnell gehen. Scheinbar unendlich viele Fragen hintereinander führen zum Abbruch, denn oft ist nicht klar, wie viele noch folgen werden. Sagen Sie daher klar, womit zu rechnen ist. Möchten Sie vertiefende Fragen einstreuen, sagen Sie auch das zum Start. Haben Sie Wiederkäufer, bietet es sich an, die Fragen bzw. die Antworten des Chatbots ein wenig zu variieren, damit der Prozess nicht so mechanisch klingt. Der Chatbot wird vermutlich für kürzere Bewertungen sorgen, einen Testbericht wie bei einem großen Mitbewerber tippt so schnell keiner ins Smartphone. Wenn aber die Bereitschaft zu Bewertungen steigen würde, mehr Bewertungen reinkämen und auch mehr Produkte Bewertungen erhielten – würde das nicht die Kürze wieder aufwiegen?
Kunden werden den Messenger nach einem solchen Chatverlauf auch nutzen, wenn sie unzufrieden sind, das Produkt nicht passt, defekt ist oder was auch immer … Darauf sollte der Chatbot vorbereitet sein. Verlassen Sie sich besser nicht darauf, dass der Kunde das Retourenformular im Paket gesehen hat.
Stellen Sie über den Chatbot eine schnelle, unproblematische Rücksendemöglichkeit bereit, indem Sie zunächst den Grund abfragen. Je nach Antwort bietet dann der Chatbot eine Lösung an. Wie die aussieht, liegt ganz bei Ihnen. Es sollte so unaufwendig wie möglich erfolgen – eben chatbot-like.
Ganz bewusst als letzter Ansatzpunkt bei Kunden mit entsprechender Kaufhistorie könnten Chatbots im E-Commerce auf sinnvolle Zusatz- oder Zubehörprodukte hinweisen. Aufgrund der Produktzuordnung können Sie gezielt kategorie- bzw. subkategoriespezifisch empfehlen. In manchen Kategorien sollten Sie auch Aspekte wie Hersteller oder auch Produktreihe berücksichtigen. Stellen Sie sich mal einen iPhone 12-Kunden vor, dem der Chatbot nicht nur ein USB-Ladekabel, sondern auch noch einen günstigen, kabelgebundenen Kopfhörer empfiehlt …
Sie brauchen nicht immer direkte Zubehörprodukte zu empfehlen. Sie können auch kurz vor der Feiertagssaison im Dezember Ihre Smartphone- oder Fotokunden auf das Buch für bessere Kerzenlichtfotos hinweisen oder vor den Sommerferien auf den Titel zu tollen Reisebildern. Selbst wenn Kunden das nicht selbst verwenden möchten, können sie die Empfehlung für ein Geschenk nutzen.
Handelt es sich um ein Verbrauchsprodukt, kann natürlich auch zeitgesteuert eine Nachbestellmöglichkeit angeboten werden. Wenn die genauso problemlos funktioniert wie alles andere bisher, haben Sie bei Bedarf auf Kundenseite zumindest keine schlechten Karten für ein weiteres Geschäft.
Unabhängig von der Kaufhistorie können über einen Chatbot mit Messenger-Anbindung auch persönliche Nachrichten zum Geburtstag oder – aktuell sehr beliebt – zum Jubiläum verschickt werden. Der Chatbot ermöglicht eine sehr persönliche Ansprache und kann einen Gutschein oder Gutschein-Code transportieren. Gleiches gilt natürlich auch für Reaktivierungsversuche, wenn schon lange nichts mehr bestellt wurde. Gerade ein Chatbot mit sicht- und spürbarer Persönlichkeit kann sich da völlig anders „geben“ als eine E-Mail, die formeller wirkt.
Sie sollten solche Nachrichten nicht übertreiben, denn Sie erhalten über einen Chatbot im E-Commerce einen sehr direkten Kundenzugang. Der muss respektiert und gepflegt werden. Andernfalls besteht schnell die Gefahr der Abmeldung. Wenn die Automatisierungslösung das anbietet, empfiehlt es sich, bei längerer Nichtreaktion noch einmal vorsichtig anzufragen und dann den Chatbot-Kanal nicht weiter zu nutzen. Auf Kundenseite bleibt er ja erhalten.
Die skizzierten Möglichkeiten sind im Prinzip mit jedem Chatbot, einer guten Entwicklung und ein bisschen Organisation problemlos realisier- und weitgehend automatisierbar. Sie müssen ja auch nicht alles umsetzen. Wenn Sie aber die Chancen dahinter nutzen möchten, können Sie sich auch an einen der „Full-Service-Anbieter“ wie Octane AI (machen das mit dem Facebook Messenger in Verbindung mit Shopify in sehr interessanter Form) wenden. Die haben solche Lösungen als fertiges Paket im Angebot und vor allem noch jede Menge nützlicher E-Commerce-Ideen.
Martin Koch